Wie ich mal 17 Sekunden Stille gesendet habe (live on air) #failstory

Mein Berufsleben hab ich beim Hörfunk gestartet, wo ich als Tontechnikerin für einen Kultur-Sender live am Mischpult Sendungen gefahren hab.

Funfact 1: aufs Klo konnte ich nur, wenn ein langer Song oder Nachrichten kamen – dann musst du aber trotzdem die Beine in die Hand nehmen und hoffen, dass das Klo nicht besetzt ist und du ans andere Ende des Gangs sprinten musst.

Funfact 2: als ich gestartet hab, wurden die Musiktracks noch von CDs (diese historischen runden Silberlinge) abgespielt. Die mussten alle einzeln gecuet werden = Marker für Startpunkt setzen, um Stille oder Intro am Anfang zu überspringen. Es war quasi ein permanentes Jonglieren mit 2-3 Playern und stapelweise CDs – ob die alle wieder in die richtigen Hüllen gewandert sind? Was war ich froh, als das digitalisiert war.

Funfact 3: um zur vollen Stunde einen sekundengenauen Übergang zwischen letztem Song und Nachrichten zu schaffen, war Kopfrechnen gefragt. Klassische Musik endet ja oft mit einem großen Tusch oder Schlussakkord. Den wollte ich verhallen lassen, bevor um 20Uhr00Minuten00Sekunden der Mischpult-Regler des Nachrichten-Studios automatisch aufgeht*. Ich musste also ausrechnen, wann ich den Song abfahren soll, damit das genau hinhaut.

Was soll ich sagen.

Verrechnet.

Kurz bevor das Stück zu Ende ging, hab ich’s bemerkt. Panik. Keine ModeratorIn am Start. Und nu?

Keine Zeit mehr zum Nachdenken – Song ist zu Ende.

Stille.

Ruhe.

Nix.

Live on Air. Bei uns und den duzenden angeschlossenen Sendern, da das eine Co-Produktion zur Buchmesse war.

Atmen.

Warten.

Kollegen stürmen in den Regie-Raum. Ob ich umgekippt sei?

Atmen.

Warten.

Aus der Kommando-Anlage quäkt es: warum sendet ihr nix?

Atmen.

Warten.

Ich verwandel mich in eine Tomate, stammel irgendne Antwort.

Atmen.

Warten.

Atmen.

Warten.

Ewigkeit.

Atmen.

Warten.

Der Nachrichten-Regler am Mischpult öffnet sich, “Es ist 20 Uhr” verkündet die Sprecherin und liest in gewohnter Routine die Nachrichten vor.

Ich setze mich. Erkläre meinen fauxpas. Atme.

Lerne, wie relativ doch die Zeit ist. Für mich waren diese 17 Sekunden gefühlte 5 Minuten E-w-i-g-k-e-i-t. Ich war versteinert. Konnte nichts tun. Musste abwarten. Hab mich so hilflos gefühlt.

Is mir danach nicht nochmal passiert, lesson learned!

Man lernt in diesem Momenten einen ganz besonderen Skill: die Live-Fähigkeit.

Interessiert Euch noch ne Failstory? Ich hab mal Murks live in der Tagesschau produziert …

*Für alle Wellen gab es zentrale Nachrichten, die von allen zeitgleich übernommen wurden. Deshalb konnten wir die Nachrichten nicht in “Eigenregie” einfach früher starten.


Sie lasen #wasbishergeschah – eine #Kordi Produktion von #tatatataTrommelwirbel Folge 1

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